von Urs Mantel

Das Thema ist natürlich nicht neu und es gibt reichlich Literatur dazu. Häufig von Juristen oder grossen Treuhand- und Beratungsgesellschaften geschrieben. Meist wird auf die gesetzlichen Aufgaben hingewiesen, die man kennen und nicht versäumen darf. Wir setzen voraus, dass diese bekannt sind.

Aus meiner Erfahrung möchte ich einige gewichtige Aspekte herausarbeiten. Die nachstehend gemachten Aussagen müssen je nach Situation angepasst werden (z.B. ich bin schon im Verwaltungsrat oder ich stosse allenfalls dazu, ich bin Berater oder finanzierende Bank etc.).

Die Menschen in der Spitzenorganisation

Nehmen Sie – allenfalls mit dem gesamten Verwaltungsrat – eine schonungslose Analyse der Spitzenorganisation (bestehend aus Verwaltungsrat, Management und Hauptaktionären) vor. Eine Krise entsteht nicht einfach so, die Spitzenorganisation ist Teil des Problems (siehe separater Blog „Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken“).

Beurteilen Sie, ob die bestehende Konstellation fähig sein wird, die Firma aus der Krise herauszuführen oder welche Veränderungen gegebenenfalls notwendig sind. Beurteilen Sie, ob diese Veränderungen überhaupt umgesetzt werden können oder was für Voraussetzungen gegebenenfalls hierzu geschaffen werden müssten.

Ziehen Sie die notwendigen Schlussfolgerungen, was Ihre Rolle betrifft.

Die Informationslage über das Unternehmen

Erarbeiten Sie sich vom Management unabhängige Informationen über das Unternehmen selber, über deren Märkte und dessen Wettbewerb.

Ohne ein gut funktionierendes Reporting geht nichts. Einerseits sind laufend (z.B. monatlich) die wichtigsten Daten über die Unternehmensentwicklung zeitnah zur Verfügung zu stellen. Andererseits müssen periodisch (in der Regel quartalsweise) aussagefähige Abschlüsse der Finanzbuchhaltung längstens innert Monatsfrist nach Periodenende auf dem Tisch liegen. Haben wir auch ein Liquiditätsproblem (was meist der Fall ist), so bedarf es zusätzlich einer laufend zu aktualisierenden Liquiditätsplanung. All das sollte eigentlich Standard sein: Die Erfahrung zeigt, dass das nicht immer so ist.

K.o.-Situation für den Verwaltungsrat

Prüfen Sie, ob die Sozialversicherungen  sowie allenfalls die Verrechnungssteuern bezahlt sind (Schweizer Verhältnisse). Sie haften dafür persönlich. Die AHV wird den kollektiv haftenden Verwaltungsräten die Forderung umgehend zugehen lassen.

Prüfen Sie periodisch, ob eine Überschuldungssituation vorliegt. Die Informationen erhalten Sie aus dem oben genannten Reporting. Diesbezügliche Versäumnisse lösen ebenfalls die Haftung des Verwaltungsrates aus. Zögern Sie allenfalls nicht, einen Zwischenabschluss revidieren zu lassen.

Sind Sie noch nicht Verwaltungsrat und einer der oben formulierten Tatbestände trifft zu, so lassen Sie die Finger davon und werden Sie allenfalls in der Beraterrolle tätig. Vermeiden Sie aber in dieser Rolle, dass Sie faktisch zu einem Organ werden.

Wege aus der Krise

Gehen Sie von der Erfahrung aus, dass das Management das Ausmass der Krise unterschätzt und dass es mehr braucht, um sich aus der Krise herauszuarbeiten, als erwartet wird.

Verwaltungsrat und Management müssen ein schlüssiges Konzept vorliegen haben, wie sie das Unternehmen aus der Krise befreien wollen.

Die ganze Spitzenorganisation muss am gleichen Strick ziehen, sonst kommt es nicht gut.

Lassen Sie Milestones rapportieren. Vergessen Sie nicht, eine sehr gute Kommunikation zu den Stakeholdern zu pflegen.

Diese Ausführungen sind ein grober Rahmen und fallweise den Verhältnissen anzupassen. Bei grossen Publikumsgesellschaften sind die Haftungsrisiken des Verwaltungsrates und des Managements wesentlich grösser. Das Swissairdebakel lässt grüssen. Hier sei an den berühmten Brief von Professor Peter Böckli an Moritz Suter erinnert. Suter hatte 2001 den Swissair-CEO-Posten in der Krise übernommen. Böckli wies Suter auf die grossen Risiken hin, und dies war wohl der Hauptgrund, dass Suter nach 44 Tagen wieder zurücktrat. Mario Corti löffelte dann die von Böckli angekündigte Suppe aus.